Nachgefragt: Blackbird

Nachgefragt: Blackbird

Am Mittwoch, den 03. April 2013, hat das Theaterstück „Blackbird“ Premiere im kleinen theater. Wir haben beim Regisseur des Stückes, Markus Steinwender, nachgefragt:

kleines theater: Das Theaterstück „Blackbird“ des schottischen Dramatikers David Harrower wurde 2005 in Schottland zum „Theaterstück des Jahres“ nominiert. Uraufgeführt wurde es unter der Regie von Peter Stein auf dem Edinburgh International Festival. Was hat dich dazu bewogen dieses Theaterstück zur Salzburger Erstaufführung zu bringen?

Elisabeth Nelhiebel und Peter Malzer in: Blackbird von David HarrowerMarkus Steinwender: Was ich an diesem Stück besonders mag, ist, dass – obwohl die Thematik des Stückes von sich aus schon dazu verführt – nichts und niemand als eindeutig „gut“ oder „böse“ stigmatisiert wird.

Wir begegnen hier zwei erwachsenen Menschen, die in 90 Minuten herauszufinden versuchen, was damals, vor 15 Jahren, und was seither passiert ist. Die beiden waren damals ein Liebespaar. Was an sich nichts Außergewöhnliches ist. Nur war sie 12 und er war Anfang 40. Ein erwachsener Mann liebt (in genau diesem Sinne) ein 12jähriges Kind. Und das 12jährige Mädchen (ein Kind in ebenfalls genau diesem Sinne) liebt den Erwachsenen. Dass sich sehr junge Menschen in sehr viel ältere verlieben, ist nachvollziehbar. Dass sehr viel ältere Menschen sich in sehr junge verlieben, ist falsch. Der Autor lässt uns an diesem Punkt aber im Stich: Er spricht von Liebe im gleichen Atemzug wie von Missbrauch, er beschreibt Romantik und gleichzeitig tiefe menschliche Abgründe, er hat die Frau und den Mann, die jetzt auf einander treffen, therapiert und genau so allein gelassen in deren Traumata.

Insofern treffen wir hier auf ein aufregendes weil nicht einzuordnendes Stück Theater, auf zwei erstklassige Schauspieler, die uns sämtliche menschliche Möglichkeiten und Unmöglichkeiten mit erleben lassen, und schlussendlich auf eine Salzburger Erstaufführung, die das Publikum des kleinen theaters erregt, hitzig und mit Fragen aber ohne Antworten ins gewohnte Leben entlassen wird. Aber wie gewohnt ist dieses Leben tatsächlich?

„Blackbird“ ins deutsche übersetzt heißt „Amsel“, die wegen ihres lockenden Zwitscherns ein Symbol der Versuchung des Fleisches ist. Jedoch wird das schwarze Federkleid mit dem Teufel in Zusammenhang gebracht. Kommen in diesem Stück beide Sichtweisen zur Geltung?

In diesen zwei völlig konträren Bedeutungen ein und desselben Wortes liegt wiederum die Kraft dieses Theaterstückes. Natürlich gilt Ray, der erwachsene Mann, als der „Teufel“, der Una, damals das Kind, verführt und ins sichere Verderben geführt hat. Andererseits könnte es ja auch so sein, dass Una, das unschuldige Kind, in Wahrheit die verlockende „Versuchung“ war. Und ist. Was selbstverständlich für erwachsen und moralisch eindeutig denkende Menschen ein Bild der Unmöglichkeit ist. Nur Ray kann der Teufel sein. Nur er hat verführt und gelockt. Ray behauptet aber, Una wäre der Teufel. Sie hätte ihn verführt. Sie hätte ihn gelockt und somit, wie ein Teufel, sein Leben zerstört. Was Una wiederum von Ray behauptet. Er hätte alles, was sie bisher hatte und was sie jemals haben wird, vernichtet. Wahrscheinlich muss man sich auch die Frage stellen, wie teuflisch die Versuchung sein kann, und wie verführerisch der Teufel. Und insofern werden in diesem Stück auf jeden Fall beide Sichtweisen der Bedeutung der „Amsel“ vorgeführt. Welche für wen aber die „richtige“ ist, wird nicht gezeigt.

Ist das Theaterstück eher eine Liebesgeschichte oder ein Problemstück zum Thema „Missbrauch“?

Ich möchte auf diese Frage David Harrower antworten lassen: „…Es geht um das, was passiert, wenn zwei Menschen in einem Raum aufeinander treffen. Zwischen ihnen gibt es eine Intimität, vielleicht ist es Missbrauch, vielleicht auch etwas anderes, aber auf jeden Fall gibt es zwischen den beiden eine Verbindung. (…) Mir geht es nicht darum, zu einem Schluss zu kommen, sondern darum, Fragen zu stellen; … Fragen darüber, was man im Leben hinter sich lässt und was man mit sich herumträgt und wie sehr man der Vergangenheit die Schuld an den Problemen der Gegenwart gibt. Es ist kein Problemstück; es ist eine Metapher für etwas Anderes.“

Die Liebesgeschichte ist hier vorrangig wie der Missbrauch. Der Missbrauch ist eindeutig wie die Liebe. Die zwei erwachsenen Menschen, die jetzt, 15 Jahre nach ihren drei Monaten, die sie gemeinsam hatten, auf einander treffen, wissen genauso wenig Bescheid über die gerade wieder aufkeimenden Gefühle, wie sie ihnen auch absolut vertraut vorkommen. Letzten Endes sind wir alle mit dem, was wir denken und fühlen, allein gelassen. Und genau das ist es, was im Theater Spannung und Aufregung garantiert. Denn dort wird das Innerste nach außen gekehrt.

Wir danken für das Gespräch und freuen uns auf Blackbird!