Nachgefragt: Antigone in New York
Im kleine theater präsentiert das Theater Miluna ab 10. Februar 2010 die Tragikkomödie „Antigone in New York“ von Janusz Glowacki in der Regie von Piotr Szalsza.
Das kleine theater führte dazu ein Interview mit den Schauspielern Jurek Milewski und Jurij Diez:
Der Titel eures neuen Stücks Antigone in New York bezieht sich auf die griechische Mythologie und die Tragödie Antigone von Sophokles. Worin bestehen Parallelen und worin liegen die wesentlichen Unterschiede?
Jurek Milewski: Beide Stücke handeln davon, dass jemand nicht menschenwürdig begraben werden darf, aber dennoch auf diese Weise begraben werden soll. Kernaussage ist, dass ein jeder das Recht hat, wenigstens nach seinem Tod einen eigenen Platz zu finden. Selbst ist mir das allerdings nicht so wichtig. Wahrscheinlich lasse ich meine Asche auf dem Großglockner verstreuen.
Janusz Glowacki überträgt diese Grundaussage der Antigone in die Gegenwart, beleuchtet in seinem Stück zugleich die Problematik der Emigration/Immigration und zeigt Personen am Rande der Gesellschaft. Die Antigone der griechischen Mythologie war selbst eine Ausgestoßene, die – entgegen dem Befehl des Kreon – aus innerlicher und religiöser Überzeugung ihren Bruder Polyneikes bestattet. Obdachlose sind ebenfalls Ausgestoßene, sie befinden sich am Rand der Gesellschaft oder sogar außerhalb dieser. Doch auch sie haben das Recht, wie ein Mensch begraben und nicht wie ein Tier verscharrt zu werden. Hiervon handelt Antigone in New York. Ein Obdachloser stirbt und seine Freunde beschließen, ihm ein menschenwürdiges Begräbnis, sei es auch in einem Park, zu ermöglichen.
Jurij Diez: Glowacki verarbeitet den Mythos der Antigone, um heutige soziale Probleme sichtbar zu machen. Wir leben in einer „zivilisierten“ Zeit, in der jedoch Obdachlose für viele Abschaum, ein Nichts sind.
Jurek Milewski: In seinem Stück zeigt Glowacki auch, wie sich Ostimmigranten das Leben im Westen vorstellten; als süß und leicht. In der Realität sah dies jedoch anders aus und sie erlebten viele Enttäuschungen.
Antigone in New York spielt, wie der Title bereits sagt, in New York, wurde in den frühen 90iger Jahren geschrieben und behandelt Fragen der Armut und der Obdachlosigkeit. Können die Kernaussagen des Stücks auf die Situation Salzburgs im Jahr 2010 übertragen werden.
Jurek Milewski: Um die Frage zu beantworten, muss man nur auf den Mönchsberg gehen. Dort trifft man Saschas, Flohs, Johns und Anitas. Geht man durch einen Park in Wien, sieht man die Obdachlosen mit ihren Schlafsäcken. Natürlich droht einem in den USA aufgrund der fehlenden sozialen Absicherung Obdachlosigkeit in einem größeren Umfang. Doch auch in Österreich und Salzburg ist sie ein gesellschaftliches Problem. Hohe Mieten, Arbeitslosigkeit oder Überforderung mit der modernen Gesellschaft führen zu Obdachlosigkeit.
Jurij Diez: Man trifft in Salzburg genauso wie in Wien oder Berlin die Flohs und Saschas, also sogenannte „Ausländer“. Aber genau so gut die Johns, also „inländische“ Obdachlose.
Welche Bedeutung hat für euch der Autor Janusz Glowacki als polnische Künstler?
Jurek Milewski: Ich habe von ihm 3 oder 4 Stücke gesehen. Er behandelt immer extreme Situationen. Das Stück Czappa handelt etwa von Gefangenen, die auf die Vollstreckung der Todesstrafe warten. Die Thematik Immigration zeiht sich jedoch wie ein roter Faden durch das Werk Glowackis.
Jurij Diez: Hätte das Stück ein Deutscher geschrieben, wir würden es auch spielen. Für dieses Stück sind wir aufgrund unserer Herkunft die perfekte Besetzung. Generell gibt es bestimmte Themen, die in diesem Stück angesprochen werden, die mich besonders interessieren. So die Geschichte Polens. Sascha ist ein russischer Jude, Floh ein Pole. Einmal ist Sascha für Floh der Jude, ein anderes Mal der Russe.
Jurek Milewski: Emigration, die Würde des Menschen und mitteleuropäische Geschichte werden in dem Stück thematisiert.
Jurij Diez: Glowacki weist in seinen Stücken immer auch auf gesellschaftliche Probleme hin. Er nützt dabei die Figur des Immigranten. So ist es ihm möglich zu zeigen, was in einem Land schief läuft. Denn der Immigrant ist mit diesen Problemen intensiv konfrontiert; entweder er fasst Fuß oder er scheitert an diesen.
Wie wählt ihr eure Stücke aus?
Jurek Milewski: Die Thematik eines Stücks muss uns persönlich berühren, vor allem bei kleineren Produktionen, also im Rahmen des Theater Miluna. Oft wähle ich auch Stücke aus oder schreibe diese, um meine persönliche Geschichte und meine Erfahrungen aufzuarbeiten. Stücke, die die Situation eines Menschen zwischen zwei Welten zum Inhalt haben, sind in diesem Sinn für mich auch eine Therapie.
Jurij Diez: Wir spielen natürlich auch in verschiedenen anderen Produktionen, die sozusagen nicht meine Themen behandeln. Aber bei unseren eigenen Arbeiten wollen wir etwas für uns Wichtiges erzählen.
Jurek Milewski: Wir versuchen mit schwierigen Themen so umzugehen, dass die Stücke nicht nur nüchtern und schwer, sondern auch komisch sind. Deshalb haben wir mit Antigone in New York auch eine Tragikkomödie ausgewählt.
Wie kam es zur Zusammenarbeit des Theaters Miluna mit dem Regisseur Piotr Szalsza, der ja auch für die Musik verantwortlich zeichnet?
Jurek Milewski: Ich kenne Piotr seit mehren Jahren und wir wollten eigentlich im Rahmen des Theaterprojekts Badenheim, das auf dem gleichnamigen Roman von Aaron Appelman basiert, zusammenarbeiten. Durch meine Projekte in Salzburg war dies leider letztlich nicht möglich. Für das Theater Miluna hat Piotr selbst das Stück Antigone in New York vorgeschlagen, da er es bereits erfolgreich in Wien, Deutschland und Polen inszeniert hat.
Wir danken für das Gespräch und freuen uns auf die Premiere am 10. Februar.
Mehr Infos zum Stück und die Spieltermine finden Sie hier.