Nachgefragt: Die Nase von Gardel

Nachgefragt: Die Nase von Gardel

Am 15. Juni 2011 hat die Komödie Die Nase von Gardel Premiere im kleinen theater. Wir haben bei der Regisseurin Raffaella Passiatore nachgefragt:

Adam und Eva, projiziert auf unsere heutige Zeit: was war Eure Inspiration zu diesem Stück und was darf sich das Publikum von dieser Geschichte erwarten?

Raffaella Passiatore Adam und Eva stehen symbolisch für den Prototypen eines jeden Mannes und jeder Frau. Der Garten Eden ist nichts anderes als eine Utopie des absoluten Glücks, ohne Schattenseiten, ohne Widersprüche, ohne der Vielfalt von Meinungen und Gefühlen; das gibt es aber nur in der Arglosigkeit der Jugend, und in der Euphorie der ersten Liebe.

Ist die „früheste“ Liebe dann nicht diejenige des ersten Mannes und der ersten Frau?

Wir alle waren einmal – durch unsere erste Liebe – Adam und Eva, und wir alle waren einmal im Garten Eden.

Aber der erwachsene Mann und die reife Frau sind das Gegenteil von Adam und Eva, denn ist die erwachsene Liebe nicht jene ohne einem „Apfel“ oder, in diesem Fall, einer „Nase“ der Zwietracht?

Unsere Geschichte beginnt mit der „Vertreibung aus Eden“, und genau ab diesem Zeitpunkt entstehen die Probleme!

Der Teufel, der Eva verführt, könnte verglichen werden mit dem Zweifel, der aus der Selbstreflexion hervorkommt, und der das eigen „Ich“ von dem des Partners trennt; so entfalten sich die gegenseitige Kritik, die Sprachlosigkeit des nicht mehr miteinander Reden-Könnens, die Rachegefühle.

Unserer heutigen Zeit entsprechend habe ich den Teufel durch die Psychoanalystin ersetzt. Während der Probenarbeit war es spannend, mit den Schauspielern gemeinsam zu entdecken, wie paradox es für einen Adam wäre, der nie eine Mutter gehabt hat, über den Ödipuskomplex zu sprechen, oder für eine Eva, die aus dem gleichen Mann/Mensch entstanden ist. An dieser Stelle haben wir unseren Adam und Eva etwas menschlicher gestaltet, ihnen auch freudianische Impulse und ‚jungianische’ Archetypen verpasst.

Dem Publikum möchten wir Motive zur Reflexion anbieten, mit einem subtilen, feinen Lachen in Verbindung, vor allem aber eine Einladung, die eigenen Beziehungsprobleme, nach der Therapie, mit Humor und Tanz lösen zu können!

Der Tango, ein von vielen Menschen geliebter Tanz. Könnte man sagen, jeder Einzelne kann sich sein eigenes „kleines Paradies“ durch Tanz und Musik schaffen?

Raffaella Passiatore Dieses Theaterstück ist ein szenisches Folgewerk meines Buches „Alles , was sie schon immer über Tango wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“, das vor einigen Jahren publiziert wurde. In diesem Werk kritisiere ich vehement den europäischen Gebrauch sowie den Missbrauch des argentinischen Tango. Dario Fo, Literaturnobelpreisträger, beleuchtet die Komplexität der Volksmusik und des Volkstheaters, sowie seine blasphemische Vereinfachung und Banalisierung, mit dem Ziel der Kommerzialisierung. (Das erste Mal, als ich original österreichische Volksmusik hörte, auf einer Almhütte in den pongauer Bergen, war ich beeindruckt von der extremen Raffiniertheit des harmonischen und instrumentalen Aufbaus, und ich fragte mich, warum man im Radio und Fernsehen nur „Ersatz“ – Neufassungen sendet, Pseudo-Kopien ihrer selbst, primitiv und kommerziell) Das gleiche passiert mit dem argentinischen Tango in Europa.

Dieser Tanz entsteht Ende des 19. Jhdts., am Rio de la Plata, im Schmelztiegel der unterschiedlichsten Kulturen: amerikanische, afrikanische, und zu 70 % europäische Einwanderer wie Italiener, Spanier, Portugiesen, Deutsche, Polen, Österreicher, Juden… Der Tango ist sowohl in seiner Musik als auch in seiner Tanzform komplex, raffiniert, lebt von Widersprüchen in der Harmonie, von gelösten und unvollendeten Polaritäten, von Fantasie; Humor und Tragödie gleichermaßen; er lebt durch die Existenz und den Tod, die zu Leben werden, durch Improvisation, emotionale Intelligenz, und durch Fähigkeit zur kreativen Lösungsfindung; er lebt durch dritte Antworten, die die Bipolarität des „Ja“ und des „Nein“ aufheben.

All dies geht in unserer europäischen Kultur langsam verloren.

Raffaella Passiatore Ja, der Tango in seiner Authentizität verstanden ist ein kleines Paradies, dessen Geografie uns lehren könnte, das Leben und die Liebe besser realisieren zu können; die europäischen Adams und Evas haben das noch nicht verstanden… Wir beharren aber darauf!

AMPHITHEATRUM salzburg ist ein Verein zur Förderung des Tango Argentino als Weltkulturerbe. Könnt Ihr unseren Zusehern eine kurze Beschreibung über Euer Wirken geben?

Raffaella Passiatore Der Verein AMPHITHEATRUM ist nicht nur aktiv bezüglich der Verbreitung des argentinischen Tangos, sondern auch im Bereich des Theaters, der Literatur, der Musik und des Tanzes tätig.
Mit dem Tango scheint es uns aber, die Menschen direkt zu erreichen; wir bieten unsere Tangokurse an, vor allem aber unsere „Milongas“, jeden Samstag im Avahof, in Kooperation mit dem Lavazza-Caffé, um die Möglichkeit des mikro „Gartens Eden“ erlebbar zu machen, der auch ein Teil unseres eigenen Lebens ist.

Unser Angebot ist ein Zusammentreffen in Form einer kreativen Verbindung, ein kultureller Moment der gegenseitigen Bereicherung, unabhängig von Alter, Nationalität und sozialer Herkunft; eine neu-Entdeckung bzw. ein Wiederfinden der Kommunikation und der zwischenmenschlichen Ebene. Wir belügen Euch nicht, was die Propaganda betrifft: der Tango ist schwer, zumindest wie das Leben selbst; furchtbar und wundervoll schwierig zugleich.

Vielen Dank für das Gespräch und wir freuen uns auf die Aufführungen!

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