Vorwort Programm September – Dezember 2019

Vorwort Programm September – Dezember 2019

Ein bisserl Zuschauen

Als sich der Schauspieler Ossy Kolmann am Anfang seiner Karriere bei Karl Farkas vorstellte, um in dessen Kabarett mitzuspielen, fragte ihn Farkas: „Haben Sie eine Schauspielausbildung?“ Kolmann antwortete: „Ja.“ Darauf Farkas: „Vergessen Sie alles und schauen Sie mir ein bisserl zu!“ Ossy Kolmann schaute dem großen Kabarettisten Farkas zu, vergaß dabei aber nicht, was er auf der Schauspielschule gelernt hatte.

Die Lehrerinnen und Lehrer unseres Lebens sind nicht immer in den Schulen zu finden. Manche haben das Glück, ihnen dort zu begegnen und das mitzunehmen, was sie brauchen, manche können sich ihre Lehrer später aussuchen, manche wiederum treffen auf Lehrer, die eigentlich gar keine sind und ihnen doch unbewusst das mitgeben, was für sie wesentlich ist. Ich selbst hatte mit den Lehrern in der Schule eher Pech. Der schlimmste von allen, mein Mathematiklehrer am Gymnasium Zell am See, zog mich in der Klasse gern an den Haaren am Hinterkopf von meinem Stuhl hoch und flüsterte mir dabei mathematische Formeln ins Ohr. Ich brauchte viele Jahre, bis ich kein körperliches Unbehagen mehr verspürte, wenn ich mich länger mit Rechnen befassen musste. Meine wirklich guten Lehrer habe ich schließlich außerhalb der Schule gefunden, Menschen entdeckt, die mir das beibringen konnten, was ich brauchte, um letztlich meinen eigenen, eigenständigen Weg zu finden und gehen zu können. Das waren oft nur kurze Momente, die mich prägten, manchmal Begegnungen, die sich über einen langen Zeitraum erstreckten, immer aber Erlebnisse, die mich bildeten, im Herzen, im Verstand und in den wesentlichen, notwendigen beruflichen Fertigkeiten. Diese Menschen sahen Talent in mir und förderten es wie selbstverständlich. Manchmal war dieser Weg des Lernens hart, aber immer bedingungslos gut, immer mit der Lust vor den Augen, etwas zu entdecken und auszuprobieren. Wir alle sind Schülerinnen oder Schüler im Leben, manchmal aber auch Lehrerinnen und Lehrer, ohne es zu wissen.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn wir einander bei Vorstellungen im kleinen theater begegnen, wo man vielleicht durch ein bisserl Zuschauen etwas lernen kann.
Peter Blaikner