Vorwort Programm Jänner – März 2019
Muss Kunst weh tun?
„Kunst muss weh tun!“, hörte ich einen Regisseur sagen, „das Publikum muss etwas aushalten, um zu einer Erkenntnis zu gelangen.“
Theater als Kunstform soll das Publikum auch mit unangenehmen Themen konfrontieren, um Machenschaften aufzuzeigen, die Mächtigen im Land zu irritieren und den Beherrschten ihre Ohnmacht vor Augen zu führen. Beispiele dafür gibt es viele. Friedrich Schiller prangerte in seinem Stück „Die Räuber“ eine verlogene und verkommene Gesellschaft an, Henrik Ibsen thematisierte mit „Ein Volksfeind“ die Korruption seiner Zeit. Diese Aufgabe haben heute zum Großteil Film, Fernsehen und Journalismus übernommen. Autoren wie Günter Wallraff oder Kurt Kuch haben skandalöse Zustände aufgedeckt, die schließlich zu Konsequenzen für die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik führten. Michael Moore brachte mit seinen Dokumentationen das überkommene Selbstwertgefühl einer Nation durcheinander.
Ich sah mir eine Vorstellung des Regisseurs an, der sagte, Kunst müsse weh tun. Die Spur von gesellschaftlicher Kritik an Macht und Ohnmacht beschränkte sich auf eine langweilige Inszenierung, mit übertriebener Gestik und mit viel Geschrei auf der Bühne. Ich saß fast sechs Stunden lang in einem großen, überfüllten Raum auf einem unbequemen Sitz. Der Eintrittspreis war dem Anlass entsprechend hoch, nach dem Motto: „Je mehr man für das Gebotene zahlt, desto mehr ist es Kunst.“ Das tat schon alles sehr weh und brachte die Erkenntnis, dass man sich das hätte sparen können. Ich wurde den Eindruck nicht los, der Regisseur verwende das Theaterstück lediglich als Mittel für seine Selbstverwirklichung. Damit erwies er dem Stück und auch dem Publikum einen schlechten Dienst. Aber leider ist es fast unmöglich, Stücke zu schreiben, die von einem Regisseur nicht ruiniert werden können. Theater soll unterhalten, es kann berühren, schockieren, es darf auch weh tun, besonders dann, wenn die Vorstellungen das Zwerchfell der Besucher und Besucherinnen strapazieren. Vor lauter Lachen. In diesem Sinne: Kommen Sie ins kleine theater!
Peter Blaikner