NACHGEFRAGT: EICHMANN

NACHGEFRAGT: EICHMANN

„… niemand darf vor diesem Stoff die Augen verschließen. Ein Stück Zeit-Geschichte.“ (Rainer Lewandowski, Autor des Stücks)
Am 29. Jänner ist das Schauspiel „Eichmann“ im kleinen theater zu sehen. Das Theater zeigt wie uns was Adolf Eichmann aussagt.
Wir haben beim Autor des Stücks und beim Schauspieler Franz Froschauer nachgefragt.

kleines theater: 275 Stunden haben Eichmann und der israelische Polizist Avner Werner Less im Verhör miteinander gesprochen. Aus diesem Material ein 80-minütiges Schauspiel zu gestalten – wie schafft man das? Wie geht man da vor?

Rainer Lewandowski: Das ist nicht ganz einfach, auch nicht auf diese Frage zu antworten. Zunächst einmal heißt es, das gesamte Material zu sichten, zu sichten und zu sichten, dann gibt es im Internet sogar einige Videoausschnitte aus dem Prozess, in denen man die Figur agieren sieht. Allmählich erkennt man dann die Form der Strategie des Versuches, etwas zu verteidigen, was sich den üblichen moralischen und ethischen Maßstäben total entzieht. Danach versucht man, diese Eindrücke in den Fragen und Antworten des Verhörs wiederzufinden und – im wahrsten Sinne des Wortes – zu ‚verdichten‘. Insofern findet hier tatsächlich ‚Dichtung‘ statt, wenn auch aus historischem Sprachmaterial.

Außerdem habe ich im späteren Arbeitsprozess die dokumentarische Ebene dahingehend verlassen, als ich die Texte in Spielsituationen gesetzt habe, sodass ein Wechsel zwischen Dokument und realistisch gegründeter Fiktion entsteht, als Material zum Spielen für den Schauspieler: also Momente des Verteidigungs-Angriffs zu erkennen sind, des Abwiegelns, des Kleinredens, des Bezichtigens anderer, die die eigentliche Verantwortung zu tragen hätten. Wenn man diese Taktik-Techniken entschlüsseln kann, ist das Vorgehen erfolgreich.
Das ist aber nur die eine Seite der Historie, die Figur des Eichmann.
Es gibt auf der anderen Seite noch die Opfer. Auch diese kommen zu Wort. Sie berichten Unglaubliches, Unerhörtes, Bedrückendes. Erst durch diese Gegenüberschilderung entlarvt sich die Person Eichmann in seinen Selbstzeugnissen in seinem grauenvollen Tun.
Ich freue mich, dass mit Franz Froschauer ein herausragender Schauspieler sich dieser Rolle, Person, historischen Figur angenommen hat, der im Zusammenspiel mit den Darstellern der Opfer einen großen künstlerischen Abend gestaltet. Außerdem möchte ich auch den Regisseur und Initiator des Stückes hervorheben, Georg Mittendrein, der mit behutsamer Kraft diesen ungeheuerlichen Abend in beklemmende Szene gesetzt hat.
Manche Passagen waren beim Auf-Schreiben schwer zu ertragen. Aber niemand darf vor diesem Stoff die Augen verschließen. Ein Stück Zeit-Geschichte.

kleines theater: Welche Gefühle hegen Sie gegenüber der Hauptfigur, die Sie verkörpern?
Hat sich Ihr Empfinden vor den ersten Proben für das Stück bis hin zur ersten Aufführung verändert?

Franz Froschauer: Gemischte Gefühle – ich versuche Eichmanns Handeln (sofern das überhaupt vorstellbar ist) plastisch/verständlich zu machen. Natürlich bin ich als Darsteller auch dazu da „Anwalt“ der Figur zu sein. Wichtig ist mir zu zeigen, in welche Abgründe Kadavergehorsam führen kann. Sich über seine Handlungen keine Gedanken zu machen, ist fatal. Wie wir wissen, Geschichte wiederholt sich, wenn man sich ihre Fehler nicht ständig bewusst macht. Das ist auch der Grund, warum Eichmann gespielt werden muss. Die Parallelen zum Heute sind klar erkennbar und darum ist es auch kein Anachronismus, sondern die Spiegelung zum Heute.
Mittlerweile beschäftigt mich die Figur Eichmann schon weit über ein Jahr. Die Empfindungen sind in Nuancen unterschiedlich, abhängig vom Setting, von den Darstellern, die mich auf der Bühne begleiten, vom Publikum und ihren Reaktionen.

kleines theater: Welche Rolle, meinen Sie, spielt das Publikum während des Stückes und auch noch danach?

Franz Froschauer: Nachdem sich Eichmann vor dem vor ihm sitzenden Publikum (sozusagen den „Verhörern“) rechtfertigt, ich also fast über die gesamte Zeit das Publikum direkt „anspiele“, ist jede kleinste Regung aus dem Auditorium erkenn- und erahnbar. Bei den vielen Schülervorstellungen, wo man üblicherweise nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit zu erwarten hat, ist es sehr spannend sich den Reaktionen auszusetzen. Auch die oft im Anschluss an die Vorstellung stattfindenden Diskussionen sind bereichernd und vielschichtig.

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